Zull lässt die Betrachter seiner Bilder eigentlich Vertrautes sehen. Seine Motive entnimmt er meist unserem ganz normalen Alltag. Er fotografiert Dinge des täglichen Lebens. Er zeigt sie jedoch aus einer anderen Sicht, als wir sie zu sehen gewohnt sind. Die Dinge verlieren dadurch die ihnen zugedachte Identität. Sie verändern sich, scheinen fremd. Wir sind gezwungen, diese Objekte und Situationen nun aufzunehmen ohne ihre vorvermittelte Identität gleich mit zu sehen, ohne ihre Funktion gleich mit zu denken.
Ein Elektrokabel etwa, in einer fließenden S-Form sich windend, fast wie eine Skulptur fotografiert, wird zur Skulptur. Die Proportionen verschieben sich. Die Form des Kabels und die Struktur der Ummantelung werden zu einem Erlebnis für die Augen, die dem Verlauf der Biegungen folgen bis hin zu den drei gespreizten Fühlern.
Das Flies über einem Gemüsebeet wird durch Blickwinkel und Bildausschnitt zu einem grandiosen Faltengebilde, das zahllose Assoziationen ermöglicht - vom Theatervorhang bis zur Gletscherlandschaft.
Besucher eines Freibades, auf ihrer Fahrt die Wasserrutsche hinab gegen das Licht fotografiert, werden zu unheimlichen Kreaturen mit grotesk verzerrten Körperproportionen.
Die Arbeiten Lothar Zulls laden dazu ein, sich auf das Abenteuer Wahrnehmung einlassen. Sie erschließen eine neue, unbekannte Welt hinter der Fassade des Vertrauten.
Neben den Bildern und Installationen von Lothar Zulls Forschungsreisen in die Alltagswelt waren auch mit Modellen inszenierte, komponierte Bilder in der Ausstellung zu sehen: eine andere Seite seines fotografischen Schaffens.