„Wer Einkaufstüten schleppt, kann auch retten“ 17.05.2016

von FKr   | 

Einkaufstüten, Retten

 

Landkreis

„Wer Einkaufstüten schleppt, kann auch retten“

Immer mehr Frauen scheuen sich nicht mehr vor dem aktiven Dienst. In Mittelneufnach ist eine Frau sogar Kommandantin. Doch in Bobingen sieht es völlig anders aus

 

Stauden zog, brannte es im neuen Nachbarhaus. Ihr Schwager, der ihr gerade bei der Renovierung half, war zur Stelle und löschte das Feuer. Deshalb stand am nächsten Tag der Kommandant der Feuerwehr bei ihr auf dem Hof – er wollte den Schwager für die Feuerwehr Mittelneufnach-Reichertshofen werben. Die suchte damals händeringend nach neuen Mitgliedern. Der Schwager aber war bereits als Feuerwehrmann in der Nähe von Wertingen tätig. Also ging der Kommandant, stand am nächsten Tag aber erneut auf Cornelia Thümmels Matte. Er hätte es sich überlegt, man könne ja auch eine Frauengruppe bilden. Er fragte Thümmel: „Wollen Sie nicht zur Feuerwehr?“ Das ist jetzt rund 16 Jahre her. Mittlerweile ist Thümmel selbst Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr im Ortsteil Reichertshofen. 24 Männer und sechs Frauen hören dort auf ihr Kommando. In dieser Führungsposition ist Thümmel zwar die einzige Frau im ganzen Landkreis. Aber es gibt fünf Frauen – unter anderem in Gennach – die den Posten der stellvertretenden Kommandantin innehaben. Und: Das Interesse von Frauen für die Feuerwehr scheint allgemein zu steigen. „Die Tendenz ist, dass zunehmend junge Frauen sich den Feuerwehren anschließen und in der Jugendfeuerwehr beginnen“, sagt Alfred Zinsmeister, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands und Kreisbrandrat. Unter den über 7600 aktiven Feuerwehrleuten im Landkreis Augsburg sind 718 Frauen. Davon sind etwa mehr als 200 Feuerwehranwärterinnen. Und der bayerische Feuerwehrverband will weitere weibliche Mitglieder gewinnen. Deshalb wirbt die aktuellen Kampagne „Frauen zur Feuerwehr“ mit Slogans wie „Wer Einkäufe schleppt, kann auch ein Rettungsgerät einsetzen“ um das weibliche Geschlecht.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr Königsbrunn gehören Frauen seit 2008 zur Mannschaft. „Vorher war das aufgrund von baulichen Problemen des Feuerwehrhauses nicht möglich“, sagt der stellvertretende Kommandant Thorsten Hahn. Erst seit der Erweiterung des Gebäudes gibt es Platz für Umkleidekabinen und Duschen für Frauen. Dadurch hätten diese ihnen zwar „nicht direkt die Türen eingerannt“, aber die Anzahl der Frauen sei über die Jahre leicht gestiegen. Im Moment sind unter den 130 aktiven Mitgliedern in Königsbrunn immerhin 20 Frauen. Die meisten von ihnen sind zwischen 14 und 20 Jahre alt, die Älteste ist 46. „Vor vier Wochen ist zum ersten Mal eine unserer Feuerwehrfrauen Gruppenführerin geworden“, sagt Hahn. Das ist im Grunde der beste Beweis für seine folgende Aussage: „Bei uns übernehmen die Frauen im Prinzip die gleichen Aufgaben wie die Männer.“

 

Diese Gleichberechtigung herrscht auch bei den anderen Feuerwehren vor. Aber was muss eine Frau eigentlich mitbringen, um Teil einer Löschtruppe zu werden? „Voraussetzung ist die grundsätzliche Eignung für den Feuerwehrdienst“, sagt Stefan Missenhardt, stellvertretender Kommandant in Schwabmünchen. Das bedeutet: Vor allem die körperliche Fitness muss vorhanden sein. Da es sich um ein Ehrenamt handele, seien die Hürden aber recht gering. Jeder – egal ob Mann oder Frau – werde nach seinen Fähigkeiten eingesetzt.

 

In Schwabmünchen gibt es derzeit 137 Einsatzkräfte, 15 von ihnen sind weiblich. Auch hier sei der Anteil an Frauen über die Jahre kontinuierlich gestiegen. Und: „Alle beigetretenden Frauen sind dabei geblieben.“ Laut Missenhardt ist die Feuerwehr damit personell sehr gut aufgestellt. Schwierigkeiten, Personal zu finden, habe sie derzeit keine – weder bei den Frauen, noch bei den Männern.

 

Auch die Feuerwehr Bobingen kennt im Moment keine Personalprobleme. Allerdings: Unter den rund 150 Aktiven ist keine einzige Frau. „Bis jetzt war einfach noch keine da, die mitmachen wollte“, sagt der Bobinger Kommandant Walter Mayr. Dabei wären auch hier Frauen herzlich willkommen.

 

Dass bei manchen Feuerwehren keine oder nur wenige Frauen mitmachen, erklärt sich Feuerwehrfrau Corinna Thümmel vor allem mit dem Thema Nachwuchs. „Sobald sie ein Kind bekommen, fallen sie oft für die nächsten 15 Jahre aus“, sagt sie. Da herrsche meistens noch die klassische Rollenverteilung vor. „Obwohl ich auch Paare kenne, bei denen beide bei der Feuerwehr sind und die sich die Kinderbetreuung aufteilen.“ Frauen seien ihrer Meinung nach für die Feuerwehr sehr geeignet, weil sie bei Bränden und Unfällen zwischen Beteiligten besonders gut vermitteln könnten und ein Händchen dafür hätten, Betroffene zu beruhigen. Aber ob Frau oder Mann – Thümmel findet es einfach wichtig, sich zu engagieren. Gerade in kleinen Orten sei eine Feuerwehr wichtig, damit gewährleistet ist, dass die Hilfe in zehn Minuten vor Ort ist. Kein Wunder also, dass Thümmel vor 16 Jahren zusagte, als die Feuerwehr an ihre Tür klopfte. Und Bürgermeisterin von Mittelneufnach ist sie mittlerweile übrigens auch.

 

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